Erkennt die deutsche Außenpolitik nun endlich die Energiewende als Thema?

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Wie der Kindergarten hat es das Wort Energiewende in den Wortschatz anderer Sprachen geschafft. Dennoch erkennen viele Politiker/innen nicht, welchen Stellenwert das Thema für Rolle und Ansehen Deutschlands in Europa und der Welt hat. Ob daran die Energiewende-Konferenz des Auswärtigen Amtes etwas ändert? Ein Kommentar.

Seit dem deutschen Atomausstiegbeschluss von 2011, der im Ausland häufig als emotionale Antwort auf die Atomkatastrophe in Fukushima wahrgenommen wurde, hat die deutsche Außenpolitik es weitgehend versäumt, der Welt die Bedeutung der Energiewende zu vermitteln und dies in ihre internationalen Beziehungen zu integrieren. Dabei blickt die Welt mit großer Neugier auf das deutsche Energieprojekt und interessiert sich vor allem für dessen wirtschafts- und sicherheitspolitische Gründe.

Woran es Berlin bisher fehlen lässt ist dies: Die Energiewende wird nicht offensiv als Lösung für den Klimawandel, als Rezept für nachhaltiges Wirtschaftswachstum, Energiesicherheit und den Umgang mit der Endlichkeit von fossilen Energien präsentiert. Zu oft verhakeln sich deutsche Politiker/innen in innenpolitische Querelen über die Umbrüche in der Energiebranche, die im Ausland gern als Zeichen des Scheiterns der Energiewende interpretiert werden. Statt die Energiewende als zentrales politisches Instrument zur Bekämpfung des internationalen Klimawandels darzustellen, wird die Diskussion den energiepolitischen Kreisen überlassen und auf die technologischen und wirtschaftlichen Herausforderungen fokussiert. Oft fallen dabei die wesentlichen Gründe für eine Energiewende unter den Tisch.

Natürlich ist eine Diskussion zu diesen Themen nötig, aber sie findet zum Teil bereits zwischen Energieexpert/innen und -Politiker/innen statt. Deutschland schreitet beim Ausbau der Erneuerbaren Energien ja nicht allein voran: auch China, die USA, sowie eine ganze Reihe von Entwicklungsländern investieren inzwischen oft mehr als Deutschland in den Ausbau Erneuerbarer Energien. Diese Weichenstellung haben sie zum Teil auch dem deutschen Vorpreschen zu verdanken, das durch den massiven Ausbau  Erneuerbarer Energien einen globalen Preissturz von Wind und Solar herbeigeführt hat. Manch einer würde sogar behaupten, Deutschlands Energiewende hat sich bereits als Instrument der Entwicklungszusammenarbeit bewährt, denn dank der fallenden Technologiekosten werden heute Erneuerbare Energien auch für Entwicklungsländer zunehmend interessant.

Der Erfolg des deutschen Beispiels ist aus doppeltem Grund strategisch zentral. Scheitert die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt mit ihrem ehrgeizigen Vorhaben, wird sie alle Nachahmer entmutigen; reüssiert sie damit, wird sie allen Ländern Auftrieb geben, die eine ähnliche Entwicklung planen. Diese können anhand der deutschen Erfahrungen, Herausforderungen und Lösungsansätze für ihre eigene Energiepolitik lernen.

Dabei können die Energiewenden im Ausland durchaus anders gestaltet werden als in Deutschland  –  die eine globale Energiewende wird es nicht geben. Zu unterschiedlich sind nationale Energiemixe, Energieabhängigkeiten und regionale Herausforderungen. Gerade deshalb muss Berlin sich die eigenen Probleme nicht verschweigen, sondern ebenso auf die Schwierigkeiten und Hürden des deutschen Ansatzes eingehen wie auf seine Chancen und Erfolge.

Aber bevor sie sich in technischen Diskussionen verliert, muss eine auf internationale Wirkung bedachte deutsche Außenpolitik die entscheidenden politischen Gründe für eine Energiewende formulieren und nach außen kommunizieren. Das aber heißt, die Energiewende im Ausland offensiv als Motor für die Wirtschaft und Garant für Energiesicherheit zu präsentieren. Das wäre eine Botschaft, die breite Kreise, nicht nur Energieexperten, erreicht.

Die Energiewende ist vor allem ein grüner Wachstums- und Innovationsmotor. Inzwischen hat die Energiewende in Deutschland mehr als 370.000 Arbeitsplätze geschaffen. Die Energiepreise für Industrieunternehmen sind – dank Erneuerbarer Energien – so niedrig wie nie zuvor. Der deutsche Außenhandel profitiert vom steigenden Cleantech-Export; das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) schätzt die Einnahmen für 2020 auf rund 20 Milliarden Euro. Das vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und von manchen Politikern an die Wand gemalte Schreckgespenst,  Deutschland würde sich durch die Energiewende de-industrialisieren, schreckt niemanden mehr.

Außerdem stärkt die Energiewende die Energiesicherheit. Der Mix von heimisch produziertem Strom und steigender Energieeffizienz macht ein Land energieunabhängiger von Importen und internationalen Preisentwicklungen. Nirgends kann man derzeit die Folgen von Energieunsicherheit besser beobachten als in Europa: die Krise in der Ukraine hat die Europäer schmerzlich daran erinnert, woher die EU heute rund ein Drittel ihres Gasbedarfs deckt. Wenn die EU nun wirklich die Energieunion anpackt, um eine bessere Verhandlungsposition gegenüber Russland und eine bessere Energieinfrastruktur innerhalb Europas zu erreichen, sollte sie weniger in herkömmlichen Strukturen denken, sondern die Krise als Chance für eine Grüne Energieunion erkennen. 

Berlin sollte dazu den Anstoß geben und die Energiewende in seine Europapolitik integrieren. Es muss einen aktiven Dialog mit den europäischen Nachbarn geben, von denen manche zu den stärksten Zweiflern an der Energiewende zählen. Bisher hat Deutschland die Chance für ein grundsätzliches Umdenken bei der Neuformulierung der europäischen Energiepolitik nicht genutzt. Auch im letzten Herbst, als es in Brüssel um die Formulierung der 2030 Energie- und Klimaziele ging, hat die Bundesrepublik keine eigenen Akzente für eine europäische Energiewende gesetzt.

Deutschlands Energiewende ist ein Jahrhundertprojekt mit nicht nur energiepolitischem, sondern mit großem außenpolitischem Potenzial. Es gibt genug internationale Energieforen, die sich mit den technischen Herausforderungen der Energiewende auseinandersetzen. Die Rolle der deutschen Außenpolitik sollte es dagegen sein, die immensen und für alle geltenden Vorteile der Energiewende herauszukehren. Eine Energiewende nur in Deutschland wird keinen globalen Klimabeitrag leisten können. Deutschland braucht Partner und Verbündete um die Kosten der Umstrukturierung der Energiesysteme zu meistern und dem internationalen Klimawandel entschieden entgegenzuwirken. Nur wenn die Energiewende international als Wachstums- und Innovationsmotor sowie als Energiesicherheitsgarant verstanden wird, kann dem Klimawandel international entgegengewirkt werden. 

Das aber verlangt von Berlin aktives außenpolitisches Engagement, keine rein technischen Fachdebatten!